Dreimonatsgruppe
Eindrücke aus der Wanderzeit
Planlos geht der Plan los
eine kurze Beschreibung unserer Route
Die Zeit fließt dahin, wie ein Fluss, und meistens ist auch alles im Fluss.
Zwei Monate sind nun schon fast vergangen, seit wir in der nähe von Stuttgart den Fahrradbus abholten, um dem Neckar nach Norden zu folgen. Viele Menschen sind uns auf der Reise begegnet, haben uns mit ihrem Lächeln, ihrem Interesse und netten Worten beschenkt. Sie gaben uns viel Energie mit auf den Weg, ob im abstrakten Sinn, oder in Form von Essen.
Durch die Stuttgarter Innenstadt in Richtung Heilbronn, von dort aus weiter nach Fürth und dann nach Bamberg, wo wir uns mit ersten Pannen konfrontiert sahen, aus denen wir viel über das Gefährt „Fahrradbus“ lernen konnten.
Nicht nur technische Pannen hatten wir in den ersten beiden Wochen, sondern auch erste schwierige Situation in unserer Gruppe und mit dem Wetter, als wir am Main für zwei Tage lang in die falsche Richtung fuhren, dadurch jedoch zu einer Spedition gelangten, von der aus uns ein Tieflader den Fahrradbus nach Hamburg transportierte.
Angekommen im kalten Hamburg folgten wir der Elbe in Richtung Osten, das Wendland, das „Radical Herbalism“ war unser Ziel, ein Camp zu Heilung, Wildkräutern, Heilpflanzen, aber auch gesellschaftlich-politischen Fragen. Der Wind wehte uns den Geruch von Meer entgegen und wir freuten uns über gerade Strecken.
In einer Kommune in Krummasel schliefen wir in einem alten Ballsaal, vor dem Regen geschützt, begannen dort ein Fahrradbusmodul zu bemalen und zogen dann in Richtung Ostsee weiter.
Bis Ludwigslust radelten wir, um dort auf einen Künstlerin zu treffen, bei der wir im Atelier übernachteten und den Fahrradbus abstellten, denn wir wollten als nächstes zu einem Wildniscamp in der nähe von Greifswald fahren.
Auf dem Radical Herbalism hatten wir uns als Gruppe verloren, unter den vielen Menschen und komplexen Themen, im Wildniscamp konnten wir ganz neu zusammenwachsen.
So intensiv im Wald zu sein tat mir sehr gut, einfach nur im Moment sein und mich als Teil der Natur wahrnehmen.
Mit gemeinsamen neu geknüpften Freundschaften zogen wir von dort aus weiter, verbrachten berührende Stunden mit Klavier, Cello, Gitarre, Händen, Stimmen… und Nächte auf Usedom mit dem Rauschen der Wellen im Ohr.
In Klein Jasedow fühlten wir uns sehr geborgen und willkommen und dann machten wir uns mit Oya-Zeitschriften im Gepäck auf den Weg nach Könnern, um dort auf die anderen Wanderuni-Menschen zu treffen.
In Ludwigslust entschieden wir uns im letzten Moment dazu, dass das nächste Ziel die Mecklenburgische Seenplatte sein sollte, als wir dann aber an einem Autohof vorbeikamen, es in Strömen regnete, steckten wir etwas Energie in einen spontanen Transport mit dem LKW zurück nach Hamburg. Die nächsten zwei Tage verbrachten wir auf der Autobahn und stellten fest, dass wir inzwischen gelernt hatten unsere Sachen überall auszubreiten und es uns überall gemütlich machen können. Die Raststätte und das Anhalter fahren holt mich doch immer wieder in eine andere Realität zurück, die nicht die ist für die ich mich einsetzten möchte, weshalb wir dann die nächsten Tage auch auf dem Klimacamp verbringen würden.
Und jetzt sind wir eben in Rommerskirchen ein paar Kilometer vom Rhein entfernt und werden uns morgen für die nächsten Wochen wieder auf Fahrradbustour begeben, um bald bei Freiburg zu sein.
Wir freuen uns auf draußen sein, den Mond bewundern, die Vögel zu hören, Pflanzen zu bestimmen, Wildkräutersalat, Begegnungen und Pläne umschmeißen.
Familie
An diesem sonnigen Tag ende August fühlt es sich fast zum ersten Mal nach Sommer an. Nach Familie fühlt es sich auch an, hier in Rommelskirchen bei Köln, zu Besuch bei Julis Eltern.
Das Kind in mir erwacht beim Fahrradbusfahren am späten Morgen, nach einem schönen Picknick am Rhein. Den Tag davor haben wir den Bus entkoppelt und fahren die Module nun getrennt, ein ganz neues Fahrgefühl! Die träge, gemütliche Raupe wird zum Schmetterling. Mit dem Fahrradbus fühlen wir uns oft so frei. Vor allem in der Nacht, wenn dazu Manu Chao durch die Straßen schallt und wir laut singen.
Von Raststätten haben wir jetzt erstmal genug, nachdem der Fahrradbus die letzten drei Wochen in Ludwigslust Pause gemacht hat und wir per Anhalter an der Ostsee unterwegs waren. Im Wald und am Meer und in der Attac Villa die anderen Wandernden trafen, wir uns für ein paar Stunden und Tage an dem Punkt begleiten konnten an dem wir gerade standen. Ein Erfahrungsaustausch und wirkliches Verständnis tut uns sehr gut.
Leila liegt neben mir, liest und wird von Silan, ihrem Bruder massiert, der uns für eine Woche begleiten wird, den Rhein hoch, immer in Richtung Süden dem Sommer nach, nach Freiburg, während wir Musik aus Simbabwe hören, Elena und Marieke sich von der Sonne im Garten bescheinen lassen und Juli Aufnahmen verschickt.
In den letzten Tagen haben wir Einblick in verschiedene Familienwelten bekommen. Es ist spannend und schön für mich die Familien und Zuhause der Menschen kennenzulernen mit denen ich nun schon seit zwei Monaten unterwegs bin, meistens vierundzwanzig Stunden, Tag und Nacht, gemeinsam durch unterschiedlichste Natur-und Kulturlandschaften streife, mal überglücklich, mal genervt, mal gelangweilt, redend, schweigend, tanzend, weinend, lachend. So können wir nochmal ganz andere Teile von uns kennenlernen und vielleicht auch ein bisschen nachvollziehen warum wir sind wie wir sind.
Für mich ist diese Zeit eine ganz besondere Erfahrung, die mir viel über mich selbst zeigt und die mir ganz viel Hoffnung gibt. In Gemeinschaft können wir so viel lernen, voneinander, über uns selbst. In Gemeinschaft können wir so vieles tun und so vieles erreichen. Gemeinschaft erfordert einiges, oft ist es überhaupt nicht einfach gegensätzlich scheinende Bedürfnisse zu vereinen, oder Bedürfnisse überhaupt zu formulieren und sich vor der Gruppe zu öffnen.
Inzwischen fühle ich mich mit diesen vier Menschen sehr wohl, heimisch und vertraut und wenn mir diese Gefühle in anderen Momenten verloren gehen, können wir darüber sprechen.
Manchmal frage ich mich, warum diese Erfahrung etwas besonderes für mich ist und nichts selbstverständliches. Wanderuni trifft in vielem das, was ich mir unter einer guten Welt vorstelle..