Der Fahrradbus der Wanderuni

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Der Fahrradbus ist ein modulares Mehrpersonenfahrzeug. Ein Jahr vor der Wanderuni hatte Emil gemeinsam mit drei weiteren Tüftlern (Philipp, Diego und Michi) den Fahrradbus entworfen und einen ersten Prototyp gebaut. Sie wollten Synergieeffekte, wie den Windschatteneffekt nutzen und ein Fahrzeug schaffen, das aufzeigt wie eine zukünftige Mobilität aussehen könnte.
Und waren dann selber erstaunt, wie einwandfrei und alltagstauglich der Fahhradbus funktionierte.

Mehr noch als die Geschwindigkeit, die auf gerader Stecke zwar schon höher, als bei einem normalen Fahrrad liegt, am Berg jedoch aufgrund der robusten und schweren Konstruktion und der Liegerad-Position deutlich niedriger ist, begeistert die Gemütlichkeit, der Gemeinschaftsgeist, die Möglichkeit sich entspannt zu unterhalten, sich als hinterer Mitfahrer in Ruhe umzuschauen oder sich sogar gegenseitig vorzulesen und vor allem auch die Begeisterung der Passanten.

IMG_6405„Der Fahrradbus ist eine Zaubermaschine“, meinte Tommy, ein Gast der Wanderuni, einmal als wir durch eine Stadt fuhren, „überall, wo man mit ihm langfährt, zaubert er ein Lächeln auf die Gesichter der Menschen.“ In der Zeit, in der wir mit dem Fahrradbus unterwegs waren, konnten wir nie an belebten Orten Pause machen, ohne angesprochen zu werden und dass Thema Wanderuni rutschte in den Hintergrund und wurde manchmal sogar ganz vergessen. Die Autos hupen uns an und streckten im Vorbeifahren einen ausgestrecken Daumen aus dem Fenster. Ich weiß nicht genau, was es ist; der „Selbstgebaut-Look“, der Abenteuergeist, der den mit Rucksäcken beladen Fahrradbus, umwehte oder etwas ganz anderes, aber irgendetwas am Fahrradbus freute die Menschen ungemein.

So wie das Auto für mich ein Symbol ist, für Ressourcenverschwendung, für Naturzerstörung, für Individualisierung und vereinsamte Menschen, für ein Selbstwertgefühl, das sich auf Besitz gründet und für den Macht-, Experten und Geschwindigkeitswahn dieser Gesellschaft, der ab einer bestimmten Schwelle doch wieder zum Gegenteil führt, nämlich zu Stau, langen Fahrtwegen, Ohnmacht und Abhängigkeit von Auto- und Ölindustrie, so deutet vielleicht auch der Fahrradbus den Vorgeschmack einer anderen Zukunft an und gibt, auch wenn er wahrscheinlich noch nicht die Lösung darstellt, eine Idee davon, dass die Zukunft nicht nur nach Entsagung und Katasrophe, sondern auch nach Gemeischaft, Freude und Selbermachen schmecken könnte.

Schon in der anfäglichen Planung der Wanderuni war die Idee aufgekommen, einen Teil der Zeit mit dem Fahrradbus unterwegs zu sein. Da der erste Prototyp in Stuttgart stationiert und gebraucht wurde, war die Idee, in Berlin einen zweiten „Wanderuni-Fahrradbus“ zu bauen, was uns sehr gelegen kam, hatten wir doch Lust auf einen weiteren richtig „praktischen“ Workshop.

Wir beantragten Födergelder für das Fahrradbus-Projekt bei Engagment Global, die bewilligt wurden und so konnten wie die ca. 3000€ Materialkosten finanzieren. Das FEZ-Berlin, in dem auch die Funkenflug-Woche stattfand, stellte uns für die Bau-Woche kostenlos ihre Metallwerkstatt und Zelte zum übernachten zu Verfügung. Diego und Philipp, zwei der Miterfinder, kamen mit dem Material nach Berlin, hatten es schon teilweiße vorgesägt, Bauanleitungen angefertigt und den ganzen Workshop tip-top vorbereitet.P1430993

Dann wurde gesägt, gebohrt, gefeilt, geschraubt, geschweißt und bei den sommerlichen Temperaturen auch ordentlich geschwitzt. Nach zehn Tagen Funkenflugaktion mit Dauerprogramm waren wir ganz schön durch und hätten eine Pause eigentlich gut gebrauchen können, doch wir hatten den Workshop direkt im Anschluss geplant. Das war sicher auch einer der Gründe, warum es uns zunächst immer wieder schwer fiel so richtig in den Arbeitsflow zu kommen. Der Umstand, dass wir nur eine Woche Bauzeit eingeplant hatten, direkt danach mit der offenen Woche starten wollten und so in Zeitdruck gerieten, besserte die Stimmung nicht und so krachte es gegen der Ende der Woche ziemlich und brachte einige angestaute Themen zum Vorschein. Gerade auch bei mir, der ich das Gefühl hatte, mit Arbeit und Orgainisation des Fahrradbusses allein gelassen worden zu sein.

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Das Gewitter säuberte die dicke Luft und nachdem die Athmosphäre wieder abgekühlt war, konnten wir richtig durchstarten und so am Mittwoch, mit zwei Tagen Verspätung losfahren. Oh, was für ein Gefühl, auf unserem selbstgebauten Gefährt, bei stürmischem Rückenwind hinaus aus Berlin, der Abenddämmerung entgegen zu sausen.

Dann ging es in den nächsten Wochen durch die Uckermark bis an die Ostsee, über Usedom rüber nach Polen, runter nach Stettin, dann den ganzen Oder-Radweg bis nach Zittau, wo uns das Zittauer-Gebirge mit Steigungen mit bis zu 30% an unsere Grenzen brachte, dann den Elbe-Radweg bis nach Dresden, in einer abenteuerlichen Zugfahrt nach Nürnberg und von dort aus bis nach Schäbisch Hall. Ca. 2000 km sind wir laut Tacho gefahren. Meistens konnten wir problemlos die Radwege benutzen. Nur ein einziges Mal mussten wir auf Usedom den Fahrradbus über einen Boller tragen. Wir hatten keinen einzigen Platten, doch hinter Nürnburg brach uns in einer steilen Abwärtkuve ein Rad. Und dass abends, fernab von jeder Stadt und wo wir doch am nächsten Tag auf der „Und-Jetzt?!“-Konferenz ankommen wollten. Doch wir waren schon ein eingespieltes Team. Zwei von uns wurden von einem freundlichen Passanten zum nächsten Fahrradladen gefahren, während die anderen einen Schlafplatz organisierten und Essen kochten. Keine zwei Stunden später was das, was am Anfang nach Totalpanne ausgesehen hatte, behoben.img_6421

Nach nur kurzer Zeit führte der Fahrradbus auch zu völlig anderem Gepäckverhalten. Neben unseren Rucksäcken, hatten wir bald eine Kühlbox, ein Sechs-Personen-Zelt, zwei bis vier Essenskisten, vier Regenschirme, zwei bis drei Wasserkanister, zeitweise eine Wok-Pfanne und jede Menge Kleinzeug dabei.

Zwei Wochen vor dem Ende stellten wir den Fahrradbus in Schwäbisch Hall unter, trampten in den Schwarzwald und liefen zu unserm letzten Workshop in der Nähe von Freiburg. Nach zweieinhalb Monaten strampeln, hatten wir Lust noch einmal zu Fuß durch die Wälder zu streifen.

Ps: Ein Fahrradbusmodul steht inzwischen in der Jurte des Sozialkraftwerks, die anderen beiden in der Nähe von Freiburg. Wer ihn mal Probefahren oder auch eine längere Tour damit machen möchte, kann sie dort ausleihen.

Mehr Infos über den Fahrrabus auf: http://Fahrradbus.com

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